Wer als Feministin früher mal davon geträumt hat, die Welt so zu gestalten, dass Menschen nicht 24 Stunden am Tag und in allen Lebenslagen über ihr Geschlecht definiert werden, durchlebt gerade harte Zeiten. Und wenn die Kategorisierungsdebatten besonders hitzig werden, kommt in diesen Tagen meist J. K. Rowling darin vor.
Die Harry-Potter-Autorin wurde, auf Twitter und anderswo, zu einem Monster erklärt, das mit seiner Transphobie Menschenleben zerstöre, weil sie öffentlich auf einem biologischen Geschlecht besteht. Und nun hat ihr gerade in Großbritannien veröffentlichtes Buch eine neue Welle des Widerspruchs ausgelöst.
"Troubled Blood" wird in Deutschland im Dezember unter dem Titel "Böses Blut" erscheinen. Darin gibt es einen männlichen Bösewicht in Frauenkleidern. Deswegen posten Rowlings Gegner in sozialen Medien jetzt Bücherverbrennungs-Videos.
Warum es so viel Ärger gibt wegen einer männlichen Romanfigur, die sich als Frau anzieht, sonst aber gar nicht weiter definiert wird? Das geht überwiegend nicht auf das Buch selbst zurück, sondern auf einen Essay, den Rowling im Sommer veröffentlicht hat. Eine Frau zu sein, schreibt sie da, sei eine biologische Tatsache; aber keineswegs schließe der Begriff jemanden aus, der erst später zur Frau geworden sei. Sie drückt ihre Sorge um jeden aus, der sich in einer verletzlichen Position befinde, ob trans oder nicht. Kontrovers daran ist, dass sie mit dem Text auch eine Debatte anzetteln wollte darüber, ob Geschlechtsangleichungen bei Teenagern eine gute Idee sind. Und dass sie nicht wolle, dass jede Damentoilette Männern offenstehe, die behaupteten, sie fühlten sich als Frau.
Natürlich kann man über ihre Meinung streiten. Aber sind diese Ansichten tatsächlich Grund genug für Beschimpfungen und Boykottaufrufe?
Erste Buchläden in Australien wollen Rowlings Werke aus dem Programm nehmen, das Buch wird trotzdem gerade zum Bestseller. Mehrere Dutzend Intellektuelle, darunter Ian McEwan, haben Rowling in einem offenen Brief verteidigt. Nützt nichts. Schon das Pseudonym, unter dem Rowling ihr Buch publiziert, und die ganze Cormoran-Strike-Reihe, zu der "Böses Blut" gehört, ist manchen Indiz genug, Rowling sei auf einem trans- und homophoben Feldzug: Robert Galbraith. Den Namen habe sie, so Rowling, sich ausgedacht. Dies sei der Name des Erfinders der Konversionstherapie, kann man an den unterschiedlichsten Stellen im Netz lesen. Das stimmt so nicht ganz.
Der amerikanische Psychiater Robert Galbraith Heath war tatsächlich keine Zierde seiner Zunft. Der Scientific American brachte ihn 2012 auf eine Hitliste der fünf hässlichsten wissenschaftlichen Experimente unter. Seine Idee, einem Homosexuellen ein Loch in den Kopf zu bohren und eine Elektrode einzubauen, um ihn zu einem Heterosexuellen umzugestalten, steht da neben den Atomversuchen auf dem Bikini-Atoll. Allerdings kommt "Galbraith" da gar nicht vor. Der Mann wird in alten Texten einfach Robert Heath genannt. Die Behauptung, "Galbraith war der Stammvater der Konversionstherapie", klingt so schräg wie "Alva hat die Glühbirne erfunden". Könnte eben doch ein vertrackter Zufall sein.
Ein bisschen mehr Vorsicht bei der Verteufelung von J. K. Rowling wäre also durchaus geboten. Man nehme nur ihren kontroversesten Tweet: Darin verwahrte sie sich gegen die Bezeichnung "Menschen, die menstruieren": Sie wolle gerne weiterhin als Frau bezeichnet werden. Nicht ganz zu Unrecht. Denn die Kategorie abzulehnen, die einem die Gesellschaft aufzwingt, gibt noch keinem das Recht, andere in Kategorien hineinzuschubsen.
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